Beschluss des Landgerichts Frankfurt vom 05.03.2009 – Az.: 5/27 Kls 3330 Js 212484/07 KLs – 12/08 – ; Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 04.08.2008 – Az.: 93 C 619/08 und Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.07.2003, Az.: I ZR 259/00 (2/2010)

Dieser CyLaw-Report beschäftigt sich mit der (umstrittenen) Strafbarkeit von Internetseitenbetreibern, die „kostenpflichtig“ den Zugriff auf Freeware (kostenlos downloadbare Software) vermitteln. Typisch ist, dass die Anbieter dieser Vermittlungsdienste ein Entgelt unter der Begründung eines „Abonnements“ verlangen. Weil die Software auf den Seiten der Hersteller kostenlos downloadbar, mit der Verlinkung der Internetseiten-betreiber aber „kostenpflichtig“ wird, hat sich der Begriff „Abofallenbetreiber“ eingebürgert. Das „Pech“ des in die Abofalle Tappenden ist also, dass er die Herstellerseite nicht als Erstes gefunden und aufgesucht hat. Typisch ist, dass – wer auf die Seiten der „Abofallenbetreiber“ gelangt – sich vor dem Download der Software registrieren muss. Die Verbraucher, die sich registriert haben und dann mittels Verlinkung den eigentlich beim Hersteller/Anbieter kostenlosen Download in Anspruch nehmen, werden mit Rechnungen und (rechtsanwalt-lichen) Mahnungen überzogen. Darauf hinzuweisen ist, dass die Seite der „Abofallenbetreiber“ bisweilen nur versteckt einen Hinweis enthält, dass es sich um eine „kostenpflichtige“ Vermittlung (Abonnement) einer Downloadoption handelt. Nach Ansicht des „Abofallenbetreibers“ besteht seine Leistung in der Vermittlung des Kontakts zur Seite des Herstellers – und unterstützt wird diese Auffassung durch Google-Adword-Links: Gerade über Google Adwords werden Verbraucher auf solche „Abofallenhomepages“ geleitet. Nach Ansicht von Herstellern/Anbietern von kostenloser Software handelt es sich bei der „Vermittlungsleistung“ der „Abofallenbetreiber“ um wettbewerbswidrige Ausnutzungen ihrer Marktchancen sowie strafbare (wirt-schaftliche) „Verwertung“ ihrer Software.
„Abofallen“ beschäftigen nicht nur die Staatsanwaltschaften und Gerichte, sondern auch die Medien. Die aktuelle Brisanz dieses Themas zeigt die große Zahl der Strafanzeigen gegen die Betreiber und der Beschwerden bei den Verbraucherzentralen. Allein eine Sucheingabe bei Google mit dem Begriff „Abo-Falle“ führt zu 654.000 Ergebnissen. Auch besteht das Bestreben der Staatsanwaltschaften die Frage obergerichtlich klären zu lassen.
Dieses „Geschäftsmodell“ – die (versteckt) „kostenpflichtige“ Vermittlung des Zugangs zu Freeware – ist ein Massengeschäft, weil eben doch einige abgemahnte Verbraucher für den „Vermittlungsdienst“ zu einer auf einer anderen Homepage kostenlos angebotenen Software zahlen. Intimidationsstrategien wie Anwalts-schreiben und Drohungen mit einem Schufa-Eintrag motivieren zur Zahlung. Wobei es auszureichen scheint, dass „nur“ eine geringe Zahl der betroffenen „Abonnenten“ die Jahresgebühr für die Nutzung der Internet-seiten zahlten. Die Abofallenbetreiber machen sich die Vorteile des Internets zunutze, indem sie mit vergleichsweise geringen Kosten für die Erstellung und den Betrieb der Internetseiten eine sehr große Zahl von Nutzer erreichen. Ferner bieten sie Software an, die von den meisten PC-Nutzern nachgefragt wird und z.T. zum Öffnen bestimmter Dateien – etwa Adobe Reader für pdf-Dateien – benötigt wird. Hinzu kommt, dass diese Software zumeist tatsächlich als Freeware auf den Herstellerseiten angeboten wird, so dass viele Nutzer davon ausgehen, dass sie stets kostenfrei angeboten wird. Hervorzuheben ist, dass die Software, die zum Download angeboten wird, nicht auf den Seiten des „Abofallenbetreibers“ gehostet wird, sondern der Download durch Verlinkung mit der Homepage des Softewareanbieters (und/oder Herstellers) erfolgt. Die Hersteller der Freeware selbster sind zum Teil sogar dazu übergegangen, auf ihren eigenen Homepages Warnhinweise vor „Abofallen“ aufzustellen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob die Verbraucher in ihrem zivilrechtlichen Kampf gegen (anwaltliche) Mahnungen und Mahnbescheide allein gelassen werden sollen, oder sich die Strafverfolgungsbehörden um den Schutz „leichtfertiger Klicker und Downloader“ im Cyberspace kümmern sollen. Aus strafrechtlicher Sicht stellt sich die Frage nach der Reichweite des Betrugstatbestands (§ 263 StGB).
Das OLG Frankfurt wird zu prüfen haben, inwieweit es der sofortigen Beschwerde (vom 11. und 16.3.2009) der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen den Nichteröffnungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt (vom 5.3.2009) stattgibt. Inzwischen hat das Amtsgericht Marburg (Urt. v. 8.2.2010 Az. 91 C 981/09 (81) – das völlig anderer Ansicht als das LG Frankfurt ist – entschieden, dass nicht nur der Betrug durch den „Abofallenbetreiber“ zu bejahen ist, sondern auch der Rechtsanwalt der „Abofallenbetreiber“ für die außergerichtlichen Anwaltskosten der „Abofallenopfer“ entschädigungspflichtig ist (weil der Anwalt als Organ der Rechtspflege bei der Geltendmachung der Abo“forderungen“ Beihilfe zum Betrug des Abofallenbetreibers leiste).
Darüber hinaus sah sich auch der Gesetzgeber zum Tätig werden veranlasst, der am 26.03.2009 das „Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen“ beschlossen hat und den Opfern von Abofallen ein „Widerrufsrecht“ bestätigt hat.
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Schmid, Viola/ Ilie, Stefan
Veröffentlichungsjahr: 2010 Version 2.0 | Letzter Stand: 16.06.2010
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KG Berlin, Urt. v. 07.10.2008 – Az.: 1 Ss 486/07; AG Berlin-Tiergarten, Urt. v. 30.08.2007 – Az.: (257 Cs) 81 Js 1217/04 (1143/04); LG Hannover, Urt. v. 20.01.2009 – Az.: 62 c 69/08

Dieser Cylaw-Report stellt die Frage, ob das Vermummungsverbot (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 17 a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG) im Versammlungsrecht Ausnahmen kennt. Die Entscheidungen des Amtsgerichts (AG) Tiergarten aus dem Jahr 2005 und des Kammergerichts (KG) Berlin aus dem Jahr 2008 behandeln den Fall einer Demons-trantin, die sich an einer Gegendemonstration gegen eine NPD-Demonstration beteiligt. Wegen der Befürchtung, dass ihre Identität von Teilnehmern der NPD-Demonstration festgestellt, sie fotografiert wird und diese Fotos evtl. im Internet veröffentlicht werden, vermummt sich die Demonstrationsteilnehmerin mit einer Kapuze und einem Schal. Hervorzuheben ist, dass sich die Demonstrationsteilnehmerin in dem Berliner Fall gegenüber den Polizeibeamten nicht vermummt hat. Nur für den Zeitraum, in dem die NPD-Demonstration an der Gegendemonstration vorbeizog, vermummte sie sich. Insgesamt handelt es sich im Berliner Fall um die eher abstrakte Gefahr, dass Gegendemonstranten von NPD-Demonstranten identifiziert, fotografiert und diese Fotos im Internet veröffentlicht werden. Demgegenüber behandelt die Entscheidung des LG Hannover eine antifaschistische Gegendemonstrantin, die nachweisen kann, dass die in Berlin „nur“ befürchteten Konsequenzen einer Identifizierung durch den politischen Gegner in ihrem Fall konkret eingetreten sind. Die Schülerin A wird infolge ihre Teilnahme an Demonstrationen im Cyberspace und in der Realworld von Neonazis gemobbt. Sie will deshalb an Demonstrationen nur noch teilnehmen, wenn sie ihre Identität durch Vermummung schützen kann. Das Schutzbedürfnis wird mit (Cyber)Bullying begründet – also dem Mobben eines Menschen im Cyberspace und in der Realworld. So wurde ein Foto von der Antifaschistin A auf Internetseiten ihrer politischen Gegner, der Neonazis, ohne ihre Einwilligung veröffentlicht. Das Foto wurde auf einem in Südamerika liegenden Server hinterlegt. Dort wurde dann gegen sie „gehetzt“. Überdies erhielt sie in der Folge E-Mails mit dem Inhalt: „man werde auf einen Kaffee rumkommen und sie trösten“. Zudem verteilten Anhänger der rechten Szene vor ihrem Elternhaus und an die Nachbarn Flugblätter. Diese hatten den Titel: „Vorsicht Rotfaschisten“ und forderten dazu auf, solchen „gewalttätigen Linksfaschisten“ wie der A keinen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden Fotos von der A von der Festplatte ihres Computers mittels eines sogenannten „Trojaners“ erlangt und auf der besagten Internetseite veröffentlicht.
Auf der einen Seite dient das Vermummungsverbot der Identitätsfeststellung von Demonstrationsteilnehmern und damit der Entmutigung gewalttätiger Ambitionen. Auf der anderen Seite führt das Vermummungsverbot im Fall der A dazu, dass sie faktisch schutzlos neuen globalen Veröffentlichungen, die vom Ausland ausgehen, ausgesetzt ist. Wegen dieses Einschüchterungseffekts besteht die Gefahr, dass sie ihr Versammlungs-grundrecht (Art. 8 GG) nicht mehr wahrnimmt. Darüber hinaus verdeutlicht der Sachverhalt dieses Cylaw-Reports, dass die Veröffentlichung von Menschen im Cyberspace (hier Internet) Menschen zur Verfolgung von Hybrid-Strategien motiviert. Weil A sich nicht effektiv gegen die Veröffentlichung ihres Bildes im Internet wehren kann (Server im Ausland), verändert sie ihr Verhalten in der Real-World und beansprucht eine Ausnahme vom traditional law der Real-World – dem versammlungsrechtlichen Vermummungsverbot.

Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 23.01.2008 – Az.: 12 O 246/07 – und Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 02.07.2008 – Az. 5 U 73/07 -

Die Düsseldorfer (Landgericht) und Hamburger (Oberlandesgericht) Entscheidungen zu „Rapidshare.com“ greifen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 11.03.2009, Az.: I ZR 114/06 – „Halzband“; Urteil vom 12.07.2007, Az.: I ZR 18/04 – „Jugendgefährdende Medien bei eBay“) zu wettbewerbsrechtlichen Verkehrssicherungspflichten auf und erstrecken sie auf das Urheberrecht. Demzufolge verbiete das Urheberrecht den Betrieb eines Hostingservers, der Anonymität des Downloaders durch das ausschließliche Erfassen der IP-Adressen der Speichernden ermöglicht. Die Verankerung und der rechtliche Schutz der Anonymität im Internet ist erst in jüngerer Zeit in den Mittelpunkt der rechtswissen-schaftlichen Forschung gerückt (etwa Ph. Brunst, Anonymität im Internet – rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen, 2009). Nicht überraschend ist deswegen vielleicht, dass das OLG Düsseldorf (Urt. v. 27.04.2010, Az.: I-20 U 166/09) sich mit seiner jüngeren Rechtsprechung in Widerspruch zu den eingangsgenannten und in diesem CyLaw-Report interpretieren Entscheidungen setzt (unter anderem auch des OLG Köln, Urt. v. 21.09.2007, Az. 6 U 86/07).

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (ECHR) im Fall K.U. gegen Finnland vom 02.12.2008, Az.: 2872/02

Cyberbullying“ oder „Cybermobbing“ oder „Cyberstalking“ – also die Nutzung der Publikations- und Kommunikationsfunktionen des Internets zur Diffamierung und Belästigung von Menschen – hat in den USA bereits mindestens ein Todesopfer gefordert, nämlich Megan Meier aus Missouri. Die Dreizehnjährige nahm sich das Leben, nachdem sich ihr virtueller „Internetfreund“ (hinter dem sich unter anderem die Mutter einer „Freundin“ verbarg) auf Myspace von ihr abgewandt und befunden hatte, dass „die Welt ohne sie ein besserer Ort sein würde“. Der Bundesstaat Missouri hat seine Gesetzgebung geändert und diese Form der elektronischen Verunsicherung für strafbar erklärt. Auch auf Bundesebene ist in den USA 2009 eine Gesetzesinitiative für einen „Cyberbullying Prevention Act“ eingebracht worden. Anhängig ist des Weiteren die Klage einer New Yorker Jugendlichen, die nach Medienberichten Facebook und Facebook-User auf 2,4 Millionen € Schmerzensgeld verklagt, weil sie durch Cybermobbing traumatisiert sei. Auf europäischer Ebene gibt es eine von der Europäischen Kommission unterstützte „Selbstverpflichtung“ von Social-Network-Betreibern – die „Safer Social Networking Principles for the EU“. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Cyberbullying eine derzeit noch nicht befriedi-gend bewältigte Herausforderung des Cyberspace ist. Umso wichtiger ist aus Sicht der Betroffenen, dass ermittelbar ist, wer sie diffamiert und der Fall „K.U. gegen Finnland“ hat die Beantwortung dieser Frage zum Gegenstand. Wenn ein Provider Verkehrs- und Bestandsdaten speichert – muss er dann Strafverfolgungsorganen die Identität des Rechtsverletzers preisgeben oder wird dessen Datenschutz zum Tatenschutz? Dabei sind zwei Fragen zu unterscheiden:

Scheitert der Auskunftsanspruch daran, dass der Provider Verkehrsdaten technisch nicht speichert?

Das Szenario von „K.U. gegen Finnland“ zeigt, dass eine unterbliebene Speicherung von Verkehrsdaten, die im Fall der Rechtsverletzung mit Bestandsdaten verknüpft werden können, die Opfer von Cyberbullying rechtlos stellen würde. Dass es inzwischen in Deutschland Provider gibt, die Verkehrsdaten nicht mehr zu Abrechnungs- oder Diensteerbringungszwecken speichern,kann einer Entscheidung des OLG Frankfurt entnommen werden. Anschließend stellt sich die Frage:

Wenn diese Verkehrsdaten gespeichert werden,
sind sie dann in Verbindung mit Bestandsdaten Gegenstand eines staatlichen Auskunftsanspruchs (für K handelten die Polizei und Staatsanwaltschaft)?

Beide Fragen sind nach hier vertretener Meinung aus der Sicht der Opfer untrennbar miteinander verbunden. Was nutzen Auskunftsrechte, wenn die Provider aus technischen Gründen keine Auskunft mehr geben können? Anderer Ansicht ist allerdings der Europäische Gerichtshof, der in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung die Speicherung strikt von der Nutzung der Daten trennt. Anderer Ansicht sind ebenfalls die Verfassungsbeschwerdeführer gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), die durch ihren Anwalt vortragen lassen, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (ECHR) in „K.U. gegen Finnland“ kein Argument für die flächendeckende Vorratsdatenspeicherung sei: Noch weitergehend zeigt eine inzwischen zurückgenommene Klage in den USA, dass – ungeachtet der Frage des „Obs“ der technischen Speicherung der Daten und deren Rechtmäßigkeit – die Verweigerung der Auskunft jedenfalls im US-amerikanischen Recht als Ausprägung der verfassungsrechtlichen Meinungsfreiheit und des bundesgesetzlichen Datenschutzes gefordert sein könnte. Ein Bürgermeister einer Stadt (Larry Dominick) fühlte sich durch sein – nicht von ihm erstelltes – Profil auf Myspace in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und verklagte Myspace auf Auskunft über die Identität des Profilerstellers. Nach einem amicus curiae Brief der Electronic Frontier Foundation nahm er seine Klage zurück. Festzuhalten ist, dass die Fragen

welche Daten müssen etwa bei social networks (Ausprägungen des so gennannten Web 2.0) erhoben und gespeichert werden?
welche Daten dürfen erhoben und gespeichert werden?
unter welchen Voraussetzungen muss an wen Auskunft worüber erteilt werden?
unter welchen Voraussetzungen darf keine Auskunft erteilt werden (Recht auf (partielle) Anonymität im Cyberpace)?

einer eingehenden rechtlichen, rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Diskussion bedürfen, um eine rechtfertigbare Abwägung von Persönlichkeitsrechten der Opfer mit den Persönlichkeitsrechten der Täter und vielleicht ihrem Recht auf (anonyme) Äußerungsfreiheit im Netz präsentieren zu können.